Zwei Reden zum Werk von Maren Wellendorf

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Laudatio Mai 2004 Professor Funke  - Maren Wellendorf

links: Maren Wellendorf, rechts: Prof. Funke
 Mitte: Sammler der Künstlerin

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Einführungsrede von Professor Jost Funke (Bremen) anlässlich der Ausstellung „Zwischen Watt und Wüste“ mit Bildern von Maren Wellendorf in der Galerie Andalusien Art, Worpswede, April 2004

 „ Der Titel dieser Ausstellung : Zwischen Watt und Wüste - enthält zwei geografische Begriffe, zwei Landschaftstypen, zwei Weltgegenden, zwei Stimmungen, die extremer nicht sein können. Mir ist kein Künstler bekannt, der sich gleichzeitig mit solchen Extremen beschäftigt.

          - Landschaften im künstlerischen Sinn sind Aneignungen von Natur
          -sie enthalten darüber hinaus eine Deutung dieser Aneignungen
          -schließlich sind sie dadurch, dass sie Deutungen sind, auch Dokumente
           einer künstlerischen Identität

 Maren Wellendorf zeigt in dieser Ausstellung Arbeiten über zwei Landschaftstypen.:

 Da ist einmal die andalusische Landschaft, oft karg, mit den herben Strukturen kahler Gebirge, menschenleer zumeist und doch überwältigend in der Kraft ihrer Erscheinung.

 Diesen Landschaften gegenüber stehen Bilder, die das norddeutsche Watt thematisieren. Die Farbigkeit wechselt, die Strukturen verweisen auf die Wirkungen der Gezeiten, der Himmel wird bedeutsam.

Maren Wellendorf ist eine Künstlerin, die die Unterschiede dieser Landschaften mit seismografischer Sensibilität empfindet und diese Empfindung an uns, ihr Publikum, zur Nach-Empfindung weitergibt. Jedes Bild dieser Ausstellung wird damit für seine Betrachter „zu einem kostbaren Gefäß , in das er seine Empfindungen gießen kann.“ Dabei ist gar nicht erforderlich, dass wir eine Landschaft identifizieren; viel bedeutsamer ist die Stimmung, das Atmosphärische, die Aura eines Bildes. „Un petit coin de la création“ - ein Stück Schöpfung durch ein Temperament gesehen. Das heißt Maren Wellendorf gibt sich nicht mit der Umsetzung der äußeren Natur zufrieden sondern fügt ihr ihre innere Natur hinzu. Dadurch verlieren ihre Landschaften etwas von ihrer Topografie und gewinnen dafür vieles an Psychologie!

Die Künstlerin, die in der spanischen Landschaft lebte und lebt, empfindet sie nicht, wie Touristen es tun. Sie sieht die Natur und ist sich zugleich ihrer Gefährdung durch den Menschen bewusst. Sie sucht nicht die romantische Idylle sondern richtet ihren Blick auf die Kargheit, die Schroffheit, die Ödnis. Sie weiß, dass die Schönheit der Bergwelt, die kahlen Flächen, die gebrochenen Farben einmal ein ästhetisches Ereignis sind, zum anderen aber ein Indiz einer zerstörten Landschaft darstellen.

Lange hat Maren Wellendorf gezögert, die Landschaften Spaniens darzustellen – zu Ihrem und zu unserem Glück hat sie ihr Zögern überwunden und zeigt uns in ihrer unverwechselbaren Bildsprache große Panoramen, aber auch eher intime Einblicke in die archaische Welt ursprünglicher Dörfer – ohne Parkplätze und Andenkenshops!

          Im Gespräch berichtet die Malerin, das sie angesichts der Urgewalt der Bergwelten die Kleinheit des Menschen besonders deutlich fühlt – gleichzeitig aber kann sie als Malerin über eine solche Landschaft frei verfügen; sie kann – im Wortsinn – Berge versetzen – und sie tut es! Somit ist jedes Bild nicht nach der Natur, auch nicht vor der Natur sondern parallel der Natur (Cézanne) oder wie die Natur (Picasso) geschaffen worden.

Jedes Bild verweist zwar auf die bestehende Schöpfung, ist aber zugleich Neuschöpfung, d.h. Erschaffung eines Werkes, das es zuvor nicht gab und das nun Teil unserer Welt ist. Caspar David Friedrich : „...Der Maler hat nicht nur zu malen, was er vor sich sieht...“

 Weil Maren Wellendorf ihre Landschaften in sich sieht, kann sie eben auch eine Wattlandschaft malen, während sie in den spanischen Bergen lebt.

Degas zu einer Schülerin: “Erinnerung und Phantasie...“ – aus beiden schöpft auch Maren Wellendorf.

 Der Personalstil von Maren Wellendorf lässt sich mit einem Wort umschreiben: Klarheit!

Jedes Bild ist brillant komponiert, ist ausgewogen, kein Quadratzentimeter ist unbedacht; wie eingespannt stehen die Bildelemente in den Formaten, im Spannungsgefüge, im Ordnungsgefüge.

Die Unterschiede der Formate: 1. Größe
                           2. Proportion

Kurz: Jedes Bild ist das Resultat exakten bildnerischen Denkens.

Aber es ist mehr!

Zur intellektuellen Planung des Schaffensprozesses tritt eine hohe emotionale Kraft.

Vor allem in ihrer Farbgebung gelingt es Maren Wellendorf, diese sinnliche Komponente ihrer Malerei auszudrücken. Und bewundernswert ist, wie es ihr gelingt, in jedem Bild einen neuen Farbklang zu entwickeln. (z.B. Korkeichen, oder das großartige Dyptichon Watt)

Maren Wellendorf Watt Diptychon 200    Korkeichen maren wellendorf

Maren Wellendorf Buhnen 200Bei den Wattbildern tritt ganz besonders eine neue Materialität auf.  Die Bildoberfläche wird zum Relief; Sand, plastische Massen, auch Bruchstücke von Muscheln – zum Thema passend- werden der Farbe zugesetzt und verändern so die Oberfläche, die sich dann wiederum unter dem Einfluss von Licht und Beleuchtung weiter verändert. Maren Wellendorf Priel 200

 Maren Wellendorf verfügt souverän über die handwerklichen und technischen Mittel der Malerei; sie arbeitet mit Acryl – und Ölfarben, in Schichten aufgebaut, meist in der Kombination beider, bedient sich also der klassischen Verfahren der Malerei. Eine solche Beherrschung des Handwerklichen ist noch nicht die Kunst selbst – ist aber die unbedingte Voraussetzung für jegliche Kunst (Musik, Malerei).

 

Wir stehen in einer Ausstellung, die eine Künstlerin präsentiert, die uns in zwei unterschiedliche Weltgegenden führt. Frei von jeglichem Schema hat sie es verstanden, jedem Thema eine Individualität einzuschreiben, die es von jedem anderen Bild unterscheidet. Und doch sind alle Bilder durch eine Art innerer Verwandtschaft miteinander verbunden. Jedes Bild strahlt eben auch aus, dass es der
- geistigen Welt
- der emotionalen Sinnlichkeit, kurz
- der künstlerischen Konzeption von Maren Wellendorf entstammt!
Vernissage Wellendorf mai 2004.tif 250
 Ich wünsche der Künstlerin und uns allen, dass wir das Geistige ihrer Bilder sinnlich
 und das Sinnliche ihrer Bilder geistig erleben.

 Mein Glückwunsch gilt der Künstlerin, mein Dank Ihnen...

Auszug aus der Rede von Maren Wellendorf anlässlich der Ausstellungseröffnung im Kunstverein Reinfeld (Hamburg) , März 2002

Maren Wellendorf in Reinfeld  ”... Bevor Sie endlich die Gelegenheit bekommen, die Bilder genauer zu betrachten, möchte ich Ihnen noch kurz etwas über meine Bilder sagen:

Ich habe in den letzten Jahren vorwiegend andalusische Landschaften gemalt, weil mich die Formen- und Farbenvielfalt, das Licht im Wechsel der Jahres- und Tageszeiten der unglaublich unterschiedlichen spanischen Landschaften nicht mehr losgelassen hat. Wenn ich nach einer Rundtour durch das andalusische Hinterland zurückkehre und dann im Bett liegend versuche, mir die Eindrücke zu vergegenwärtigen, bemerke ich oft mit Erschrecken, dass all das, was mich zum Staunen und Verweilen gebracht hatte, wieder verblasst ist.

Wenn ich anderen mit Worten schildern möchte, was mich so berührt hat, fehlen mir dafür die sprachlichen Mittel.
So versuchte ich zunächst, mit dem Fotoapparat meine Eindrücke festzuhalten, dadurch zu bewahren und sie auch anderen zeigen zu können.

Welche Enttäuschung, wenn ich in freudiger Erwartung die entwickelten Fotos abholte. Diese kleinen Fotos gaben doch nicht annähernd das wieder, was ich gesehen, und gefühlt hatte. Deshalb versuchte ich, mit einem etwas größeren Format als es ein Foto vermag, meine Erinnerung mit Öl- oder Acrylfarben festzuhalten.

Dabei versuche ich, z.B. die für Landschaft typischen Formen beizubehalten. Aber ich verändere die reale Landschaft auch, denn die Komposition eines gemalten Bildes unterliegt eigenen Gesetzen. So kann man ja nicht sagen, dass eine Landschaft schlecht komponiert ist, nur weil vielleicht hintereinander liegende Bergkämme sehr parallel verlaufen - bei einem Gemälde ist das anders.

Ich versuche auch, die für Landschaft typische Farbigkeit beizubehalten, aber auch da gilt, dass der Einsatz der Farbe eigenen Gesetzen unterliegt. Der so eindrucksvolle, fast dunkelblaue andalusische Himmel: so gemalt lässt er die Landschaft kalt und unwirklich erscheinen. Die kräftigen Grüntöne stören in der wirklichen Landschaft nicht, in einem gemalten Bild kann das sehr wohl passieren. Wenn ich abgeerntete Felder mit kräftigen Rot- und Gelbtönen male, wenn ich also Farben übersteigere, kann ich damit gleichzeitig Wärme oder Hitze spürbar machen.

Deshalb erschaffe ich mit meinen Bildern auch neue Landschaften aus einer zuerst nur mir gehörenden Lebens- und Seherfahrung.

Beim Komponieren und Malen erkenne ich für mich immer mehr, warum mich eine Landschaft so gefesselt hat. Ich erlange Klarheit über meine ambivalenten Gefühle. Da gibt es auf der einen Seite die Freude der Malerin an Formen und Farben, auf der anderen Seite aber auch das Erschrecken über Abgründe, über die lebensfeindliche Umgebung und das Erkennen der eigenen Bedeutungslosigkeit. Malen ist für immer auch Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis. Man erfahrt die Veränderung der eigenen Gefühlswelt, wenn man sieh fremden Umgebungen oder Situationen aussetzt.

Meine Bilder zeigen mehr, als sie darstellen: Als ich das erste Mal eine Prozession der Semana Santa erlebte, war ich etwas erschrocken über die Reaktionen, die in mir - man kann sagen körperlich spürbar - stattfanden. Als Atheistin war es für mich unerklärlich, warum mir kalte Schauer über den Rücken liefen, als ich die Büßer mit ihren Spitzhüten und den dumpfen Trommelschlag und Fanfaren - wie ein Schrei fast - erlebte. Es steckt in jedem etwas, was man spirituelles Empfinden nennen kann, jedenfalls sind solche Gefühle mit der Ratio allein nicht erklärbar, und sie werden im normalen Alltag nicht erfahren. Dieser Vorgang hat nichts mit bloßem Reiz oder Sentimentalität zu tun. Wenn ich also das Bild einer Prozession male, so möchte ich eine Komposition von Farben finden, die diese Ambivalenz der Gefühlswelt sichtbar macht: Für mich während des Schaffens, und wenn es gelingt, für andere während des Betrachtens der Bilder.

Diese Mischung von Angst und dem Wunsch, sich im Tiefsten kennen zu lernen, ist etwas, was mich auch bei der Landschaftsmalerei antreibt.

Das Bild einer Landschaft darf nicht glatt, ausgewogen, also reines Dekor sein, sondern ist ein Spiegel momentaner teilweise unbewusster Empfindungen. Wenn mich die Faltengebirge bei Almeria begeistern, kommt sehr schnell auch die Erkenntnis, dass diese Faltungen durch Erosion, durch Wind, Wetter und Abholzung entstanden sind. Selbst die verbliebenen urwüchsigen Formen sind durch die wirtschaftliche Entwicklung, den Bau neuer Autobahntrassen, bedroht.

Während ich in einem Moment mich von der Großartigkeit der Landschaft aufgehoben und getröstet fühle, beunruhigt mich wenig später, dass ich weiß, dass nichts unveränderlich bleibt - die Landschaft nicht und ich selbst auch nicht. Und doch wird diese grandiose Natur noch bestehen, wenn wir nicht mehr sind. Das finde ich sehr tröstlich, denn es hilft, die Bedeutungslosigkeit des Individuums zu akzeptieren.

Ich teile mich durch meine Bilder mit und hoffe natürlich, dass ein Betrachter aus meiner individuellen Sicht auch für sich einen Nutzen ziehen kann. ....

Maren Wellendorf beim Reinfelder Kulturverein 250

Foto: Maren Wellendorf mit dem Vorsitzenden des Kunstvereins